Indemini, ein Dorf zuhinterst im Tessin

Locarno-Magadino-Vira-Piazzognia-fosano-Monte di fosano-Alpe di Neggia-Indemini

Von Locarno geht es zuerst mit dem Schiff einmal quer über den Lago Maggiore nach Magadino. Die Ortschaft bildet den Beginn einer ganz speziellen PostAuto Linie - jene nach Indemini. Die Fahrzeuge kämpfen sich mehrmals täglich die enge und sehr kurvenreiche Strasse hinauf auf den Alpe di Neggia Pass. Da ist die Fahrt keinesfalls schon zu Ende sondern führt noch bis an die italienische Grenze, ins wunderschöne Dorf Indemini. 

 

Das Schiff läst Locarno hinter sich
Das Schiff läst Locarno hinter sich

3631, Locarno - Magadino

Die Reise nimmt ihren Anfang in Locarno, genauer gesagt bei der Schifflände Debarcadero. Seit 1826 gibt es auf dem Lago Maggiore eine Passagierschifffahrt. Während vielen Jahren war der italienische Staatsbetrieb Gestione governativa navigazione laghi, welche auch die Schifffahrt auf dem Comer- und Gardasee betreibt, für die Erschliessung des Schweizer Seebeckens zuständig. 2018 wurde die Organisation und der Betrieb schliesslich an die Società Navigazione del Lago di Lugano (SNL) übergeben, 

Magadiono ist erreicht
Magadiono ist erreicht

welche seither für den Betrieb im schweizer Becken zuständig ist. So wird ganzjährig ein Stundentakt auf der Linie Locarno-Magadino angeboten. Dazu kommen saisonale Verbindungen nach Ascona und zur Isole Brissago. Auf sämtlichen Schiffskursen werden GA, Tageskarten usw. zu 100 % akzeptiert. Doch zurück zur eigentlichen Reise. Das Kursschiff lässt Locarno hinter sich und tuckert nun gemütlich einmal über den See. Zeit um einfach ein bisschen die Seele baumeln zu lassen und das hoffentlich schöne Wetter zu geniessen. Nach gut 20 Minuten legt das Schiff bereits in Magadino an. 

Neben dem Casa Comunale wartet der Solaris Bergbus auf die Abfahrt
Neben dem Casa Comunale wartet der Solaris Bergbus auf die Abfahrt

62.352, Magadino-Piazzognia-Alpe di Neggia-Indemini

Ausgangspunkt der spektakulären sowie kurvenreichen PostAuto Linie nach Indemini bildet die Haltestelle Magadino, Casa Comunale, welche in unmittelbarer Nähe der Landungsbrücke liegt. Hier werden auch die schlanken Anschlüsse von der Linie 62.350 St.Antonino-Magadino-Dirinella abgenommen. Auch wenn die Linie von vielen Ausflügler und Wanderer benützt wird, ist das Fahrplanangebot nicht touristisch sondern grösstenteils für die Bewohner von Indemini ausgerichtet. So nehmen ganzjährig unter der Woche 4, im Sommer sogar 6 Kurse die steile Strasse in Angriff. 

Das PostAuto der Linie 352 unterwegs in Magadino
Das PostAuto der Linie 352 unterwegs in Magadino

An den Wochenenden ist jedoch der Betrieb praktisch halbiert. Wenn alle Fahrgäste eingestiegen sind, dann kann die Reise losgehen. Die Fahrt führt an der SNL-Landungsbrücke vorbei in den Ortskern von Magadino. Der oberhalb der Hauptstrasse liegende Bahnhof Magadino-Vira (zweistündlich von der TILO S-30 bedient), wird seit einiger Zeit von der PAG nicht mehr angefahren. Der Linienbus braust nun durch das Dorf Vira und anschliessend weiter in Richtung San Nazzaro. Dabei wird man vom Lago Maggiore begleitet, der auf der rechten Seite so wunderschön tiefblau schimmert. 

Das schon fast legendäre Tessiner PostAuto kämpft sich hoch
Das schon fast legendäre Tessiner PostAuto kämpft sich hoch

Mit dem Erreichen der Ortschaft San Nazzaro ist es dann vorbei mit der gut ausgebauten Hauptstrasse. Nach der Haltestelle paese biegt das Fahrzeug der Post links auf die Bergstrasse ab. Dies ist der Beginn einer knapp einstündigen Bergfahrt. Nun kämpft sich der Bus die engen und steilen Kurven hinauf nach Vairano, wo der Fahrplan eine kurze Stichfahrt zum Paese vorsieht. Hier wird anschliessend, meist ohne dass irgendwelche Passagiere ein- oder ausgestiegen sind, rückwärts gewendet und wieder zur Verzweigung zurückgefahren. Nun behält das PostAuto jedoch die Höhe

 

Der Solaris Bus durchfährt soeben die Ortschaft Piazzogna
Der Solaris Bus durchfährt soeben die Ortschaft Piazzogna

und fährt die am Monte Gambarogno liegenden Ortschaften an. Diese befinden sich rund 300 Meter über dem See und verfügen über eine gigantische Aussicht auf den Lago Maggiore. Dies ist auch der Grund dafür, wieso dieser Hang trotz Nordlage und nur wenig Sonnenschein im Winter, praktisch komplett mit Villen zugebaut ist. Nachdem die enge Dorfdurchfahrt von Vairano hoffentlich geglückt ist, führt die Reise am Botanischen Garten vorbei bis zur Ortschaft Piazzognia. Um diese und die anderen am „Collina“ befindenden Ortschaften besser an den ÖV anzubinden, 

Ein HESS Bergbuss unterwegs am Colina
Ein HESS Bergbuss unterwegs am Colina

werden sie neben den Indemini-Kursen auch von der Line 62.330 erschlossen. Weiter sucht sich das PostAuto nun seinen Weg am Monte Gambarogno entlang bis zur Ortschaft Scesana.  Hier biegt der Bergbus rechts auf die Alpe di Neggia Passstrasse ab. Das Dorf Fosano, welches übrigens immer noch ein Teil des durchgehenden Siedlungsbandes an der Collina ist, wird dann auch nur noch von der Linie 352 angefahren. Bevor nun aber das dichtverbaute Siedlungsgebiet hinter einem gelassen wird, muss im Sommer noch mit dem Gegenkurs gekreuzt werden. 

 

 

Der Solaris Alpino von PU Domenighetti in Fosano
Der Solaris Alpino von PU Domenighetti in Fosano

Dies ist bei der zweispurigen Haltestelle Fosano weitaus besser möglich als auf dem Rest der Bergstrasse. Je nach Gegenverkehr und entsprechender Verspätung des entgegenkommenden PostAutos kann das eine Weile dauern. Genügend Zeit also um den herrlichen Ausblick zurück ins Tal zu geniessen. Anschliessend kann dann die Bergfahrt richtig losgehen. Um überhaupt die steile, enge sowie sehr kurvenreiche Strasse mit einem Linienbus bewältigen zu können, sind richtige Kraftpakete nötig. Jahrelang wurde der Verkehr mit zwei Neoplan N312K Transliners abgewickelt. 

Der Hess Bergbus unterwegs auf der Bergfahrt
Der Hess Bergbus unterwegs auf der Bergfahrt

Das Tessiner Berg PostAuto schlechthin, erreicht jedoch langsam sein Lebensende. So verschwinden sie nach und nach und werden durch moderne Low-Entry Busse ersetzt, wie zum Beispiel einem HESS Bus Alpin. Der Linienbus windet sich nun durch die dichten Kastanienwälder der Ortschaft Monti di Fasano, die übrigens schon auf 700 Metern über Meer liegt. Die Häuser liegen hier verstreut auf den wenigen, nicht bewaldeten Flächen. Mittlerweile hat das PostAuto schon über 500 Höhenmeter hinter sich, was jedoch noch nicht mal Halbzeit bedeutet.

 

 

Im Hintergrund ist der Lago Maggiore zu erkennen
Im Hintergrund ist der Lago Maggiore zu erkennen

In den wenigen Abschnitten, wo sich der Wald für kurze Zeit lichtet, wird der Blick frei auf den tiefblauen Lago Maggiore. Dieser befindet sich schon weit unten im Tal. Weiter kann man auch die Magadino Ebene sowie das Maggia-Delta mit den Feriendestinationen Ascona links und Locarno rechts gut erkennen. Die Aussicht ist einfach gigantisch. Und dank den vielen Haarnadelkurven kommen sowohl die Fahrgäste welche auf der linken Seite sitzen in den gleichen Genuss wie jene auf der rechten. Nach der Haltestelle Monti di Fosano, Bv. Piazzognia werden dann auch die letzten Siedlungen hinter einem gelassen.

Der Solaris Bergbus kämpft sich die vielen Kurven hoch Richtung Alpe di Neggia
Der Solaris Bergbus kämpft sich die vielen Kurven hoch Richtung Alpe di Neggia

Nun sucht sich die Strasse ihren Weg durch den unbewohnten Waldkessel. Bis zur Passhöhe sind es immer noch knapp 700 Höhenmeter, welche mit total 18 engen Kehren überwunden werden. Hier wird es richtig knapp für die ohnehin schon sehr kurzgehaltenen Midi-Busse. Nur mit viel Können und Erfahrung ist es den Chauffeuren möglich, die Kurven in einem Zug zu bewältigen. Was im Sommer schon sehr spektakulär aussehen mag, ist nichts gegen den Winter, wenn die schneebedeckte Strasse sowie die Schneemauern den Chauffeuren zusätzlich das Leben schwer machen. 

Geschafft, die Passhöhe ist bezwungen
Geschafft, die Passhöhe ist bezwungen

Nach etwa einer Fahrzeit von einer Stunde, je nach Gegenverkehr kann es auch gut ein bisschen mehr sein, ist die Passhöhe erreicht. 1200 Höhenmeter kämpfte sich der Bergbus nun vom Ausgangspunkt hier hoch. Mit den 1391 m.ü.M. bildet der Alpenübergang jedoch den höchsten Punkt der Reise. Hier verlassen an schönen Sommertagen viele Wanderer den Bus. Denn die Alpe di Neggia bildet den Ausgangspunkt für verschiedene Wanderungen. Wie zum Monte Gambarogno einerseits, aber auch zum Monte Tamaro andererseits.

Und schon geht es wieder hinunter
Und schon geht es wieder hinunter

Für ausdauernde Wanderer ist es auch möglich bis zum Monte Lema im Malcantone zu wandern. Im Winter werden hier oben zwei Skilifte betrieben. Diese dienen jedoch mehr der einheimischen Bevölkerung als Touristen. Egal ob Sommer oder Winter, der Ausblick welcher sich von hier aus ergibt und bis in das Verzascatal sowie zur Staumauer des Lago di Vogorno reicht, ist einfach bezaubern. Nach einer kurzen Pause geht die Reise dann auch schon weiter. Denn hier oben ist noch nicht Schluss, sondern das PostAuto sucht sich nun den Weg auf der anderen Seite hinunter. 

In der Nebensaison reicht auch ein kleiner Sprinter aus, welcher in Kürze Indemini erreicht
In der Nebensaison reicht auch ein kleiner Sprinter aus, welcher in Kürze Indemini erreicht

Denn die Ortschaft Indemini liegt 450 Meter tiefer als die Passhöhe. Das PostAuto überwindet die entsprechende Höhendifferenz mit einigen weiteren Kurven. So gelangt der Linienbus zu der kleinen Ortschaft Indemini Monti. Diese ist geprägt von den typischen Steinhäusern. Nun ist es nicht mehr weit bis zur italienischen Grenze und somit auch zum Ziel. Nach einer Fahrzeit von einer Stunde und 15 Minuten ist die Ortschaft Indemini, welche übrigens noch knapp auf Schweizer Boden liegt, in Sicht. Anfangs vom Dorf befindet sich dann die Endhaltestelle Indemini Paese. 

 

Endstation Indemini Paese
Endstation Indemini Paese

Gleich vor dem PostAuto Depot heisst es "Alles aussteigen". Im Sommer hat der Chauffeur in Indemini eine halbe Stunde Pause, bevor es für ihn wieder zurück ins Tal geht. Hier nimmt eine eindrückliche Fahrt ihr Ende. Auf 190 Metern über dem Meeresspiegel hat das PostAuto diese Reise gestartet und kämpfte sich dann hinauf zur 1395 Meter hohen Alpe di Neggia  und anschliessend wieder hinunter nach Indemini, das auf 960 m liegt. Unterwegs wurden 37 Haarnadel- und total 254 normale Kurven bewältigt - einfach gewaltig !

Indemini, ein steiniges aber wunderschönes Bergdorf
Indemini, ein steiniges aber wunderschönes Bergdorf

Indemini, 937 m.ü.M

Das malerische, abgeschiedene Bergdorf teilt das Schicksal vieler ähnlicher Schweizer Dörfer. Denn 1920 lebten hier noch 450 Einwohner, heute sind es lediglich noch 25 Seelen, die das ganze Jahr hier wohnen. Immerhin steigt im Sommer die Einwohnerzahl auf knapp 60. In den letzten Jahren zogen immer mehr Menschen aus der Deutschschweiz in das schmucke Bergdorf und verbringen hier ihren Lebensabend. Wenn man durch die engen Gassen schlendert und einfach nur die Ruhe sowie die herrliche Aussicht geniesst, dann kann man dies auch gut verstehen. 

 


Diese Reise ist meinem Grossvater "Bupa" gewidmet

23.06.2018

Last Update: 11.11.2024

zuletzt gereist: 19.06.2021